Tot wegen Joint? Ermittlungen im Fall Qosay K. eingestellt

Tod durch Cannabis
Gedenkstätte für Qosay K.

Es ist merkwürdig still im Fall Qosay K. Der 19-Jährige Iraker war Anfang März von der Polizei in einem Park im norddeutschen Delmenhorst mit Cannabis bzw. einem Joint erwischt worden, in Polizeigewahrsam kollabiert und später im Krankenhaus gestorben. Doch im überregionalen medialen Tagesgeschehen spielt(e) der Fall kaum eine Rolle. Klar, ist ja schließlich Pandemie und dann fängt ja in knapp zwei Wochen auch noch die Fußballeuropameisterschaft an. Schlaaaaaaand!

Seit wir zuletzt über den Vorfall berichteten, hat sich die Staatsanwaltschaft Oldenburg mit weiteren Untersuchungsergebnissen zurückgemeldet: die Todesursache sei nach wie vor unklar, aber ein Fehlverhalten von Polizeikräften und Rettungsdienst könne nicht festgestellt werden. Des Weiteren seien im Magen-Darm-Trakt des jungen Geflüchteten die stark absorbierenden Stoffe Polyacrylamid und Natriumpolyacrylat (sogenannte „Superabsorber“) gefunden worden – wie die da hingelangt sein könnten und ob sie eine Rolle beim Tod des Irakers gespielt haben könnten, ist allerdings völlig unklar. Und zack, Ermittlungen eingestellt.

Das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, das im Auftrag der Familie ein Konkurrenz-Gutachten erstellt hatte und dabei zwar keine Superabsorber, aber sehr wohl Anzeichen auf Polizeibrutalität und Sauerstoffmangel als wahrscheinliche Todesursache bescheinigte, wollte sich „aus Datenschutzgründen“ nicht auf unsere Anfrage bezüglich der Stoffe äußern.

Die neue Linie der Staatsanwaltschaft

Auffällig ist, wie die neue Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft den Eindruck erweckt, dass die Aussagen von Qosays Freund H., Augenzeuge der Verhaftung, unglaubwürdig seien. Während dieser behauptet hatte, die Polizisten hätten auf dem Opfer gekniet und ihn regelrecht in das Polizeifahrzeug geschliffen, heißt es von der Gegenseite nun, dass Qosay selbständig zum Wagen gegangen sei. Dass der Rettungsfahrer dem offenbar leidenden 19-Jährigen ob seiner Beschwerden Schauspielerei unterstellt hatte, davon will man nichts wissen. Qosay K. sei noch vor Abtransport ordnungsgemäß untersucht worden – mit unauffälligen Ergebnissen, die auch protokolliert vorlägen. Wie das zu der bisher von der Staatsanwaltschaft kommunizierten Aussage passt, dass Qosay jede Untersuchung und Behandlung abgelehnt habe, ist fraglich.

Als Beobachter tut man sich schwer, die Aussagen beider Seiten (wie viele der Augenzeugen waren eigentlich selbst Polizeibeamte?) irgendwie abzuwägen und unter einen Hut zu bringen. Doch im Grunde reicht es, sich einfach noch einmal die harten Fakten vor Augen zu führen, um zu erkennen, dass dieser Fall noch nicht zu den Akten gelegt werden darf: ein gesunder 19-Jähriger wird von der Polizei mit ein wenig Cannabis gestellt, kollabiert in Polizeigewahrsam, stirbt kurz darauf – und keiner weiß, woran. Will man es unter Umständen gar nicht so genau wissen?

Kein Interesse an Aufklärung

Die Rechtsanwältin von Qosays Familie, Lea Voigt, attestiert den Behörden in einer Reaktion auf die neuesten Statements einen mangelnden Aufklärungswillen und wirft ihnen vor, es bei bloßen „Spekulationen“ über die Todesursache Qosays belassen zu wollen. Die Pressesprecherin eines Hinterbliebenen-Bündnisses mit dem Titel „In Erinnerung an Qosay“ geht noch einen Schritt weiter und stellt eine bittere, nagende Frage in den Raum: „Welchen Fall kennen wir, wo die Staatsanwaltschaft nach einer polizeilichen Tötung nicht das Verfahren eingestellt hat?“ Die Antwort ist bekannt und es bleibt still…

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