Festnahme wegen Joint: 19-Jähriger stirbt nach Polizeigewahrsam

Tod durch Cannabis
Gedenkstätte für Qosay K.

An einem Tag vergangenen Monat, dem 5. März 2021, war es ungemütlich kühl im niedersächsischen Delmenhorst. Mit gerade mal ein paar Grad über Null eigentlich zu kalt, um sich gemütlich auf der Parkbank einen zu rauchen. Qosay K. und ein Freund ließen sich an diesem Abend nichtsdestotrotz im Wollepark auf einer Bank nieder, um gemeinsam einen Joint anzuzünden und zu quatschen. Als gesunder 19-Jähriger steht man ja auch „voll im Saft“, ist man eben noch nicht so empfindlich, was das Wetter angeht. Gemütlich wurde es den beiden Jungs mit Migrationshintergrund aber sowieso nicht, da nach etwa fünf Minuten genau das passierte, wovor so ziemlich jeder Cannabisfreund in Deutschland Angst hat: es näherten sich Zivilbeamte der Polizei und versuchten, der beiden jungen Cannabiskonsumenten habhaft zu werden. Seinen Freund konnten sie direkt mit Handschellen an der Parkbank fixieren, Qosay, der versucht hatte, fußläufig zu fliehen, wurde kurze Zeit später von den Beamten erwischt.

Tod durch Cannabis? Dafür gibt es bis heute keinen einzigen Beleg – aber das Verbot kann dich umbringen. Wer heute durch den Wollepark spaziert, kann die „RIP Qosay“-Schriftzüge kaum übersehen, die Parkbank des Geschehens wurde von Freunden und Verwandten mit Kerzen und Schildern zu einer kleinen Gedenkstätte umfunktioniert. Denn Qosay war wenige Stunden nach seiner Verhaftung in Polizeigewahrsam kollabiert und nur wenig später im Krankenhaus gestorben. Dort wunderte man sich über den Zustand des Jungen, dessen Körper mit blauen Flecken übersät war, die Extremitäten blau angelaufen. Augenzeugenberichten zufolge Verletzungen, die wahrscheinlich auch von der Festnahme des 19-Jährigen stammen könnten, denn tatsächlich waren auch nach Behördenangaben gleich mehrere Polizisten damit zugange, Qosay zu fixieren. Schilderungen über Polizeibeamte, die ihre Knie in Qosays Rücken bohrten, um ihn am Boden zu halten. Zeugenaussagen, die davon sprechen, dass Qosay unruhig, fast schon orientierungslos umherblickte und mehrfach angegeben hatte, schlecht Luft zu bekommen. Noch schlimmer: der anwesende Mann vom Rettungsdienst soll dem Fixierten auch noch Schauspielerei unterstellt haben. Wie falsch der Retter mit seiner Schnelldiagnose gelegen hatte, zeigte sich spätestens, als das Opfer wenig später in der Zelle auf dem Polizeirevier zusammenbrach und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Doch woran genau ist Qosay K. letztendlich gestorben? Mithilfe zweier Obduktionen versuchten Spezialisten der Todesursache auf die Spur zu kommen. Die offizielle Untersuchung der Staatsanwaltschaft ergab multiples Organversagen, dessen Auslöser jedoch nicht bestimmt werden konnte. „Belastbare Hinweise darauf, dass der Tod fremdverursacht war, konnten nicht gefunden werden und toxikologische Ursachen könnten nicht ausgeschlossen werden“, so konnte man der Lokalpresse entnehmen. Also alles doch nur ein „Unglücksfall“, wie zunächst verlautbart wurde? Das zweite, privat in Auftrag gegebene Gutachten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf lässt Polizei und Rettung in ganz schlechtem Licht dastehen und kommt zu einem anderen Schluss: und zwar, dass eine äußere Gewalteinwirkung stattgefunden habe und Sauerstoffmangel den Tod des 19-Jährigen herbeigeführt habe. Im Blut wurden Marihuana-Rückstände gefunden, jedoch keinerlei Anzeichen für weitere Betäubungsmittel.

Qosay K. war vor schlimmen Menschenrechtsverletzungen aus dem Irak geflohen, weil sich seine Familie ein besseres Leben für ihn erhofft hatte. Gestorben ist er, weil er in Deutschland einen Joint geraucht hat. Wir sparen uns an dieser Stelle den üblichen Sermon, warum die Cannabislegalisierung längst überfällig ist und wünschen Qosays Verwandten und Freunden viel Erfolg und Kraft bei der Aufklärung, die sie angesichts des kommenden Rechtsstreits wohl bitter nötig haben werden. Die Familie hat inzwischen Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gegen die für die Verhaftung verantwortlichen Beamten sowie den anwesenden Rettungsfahrer gestellt.

Übrigens ließ es sich die Polizei nicht nehmen, die kleine Gedenkfeier im Wollepark, an der etwa 250 Freunde und Verwandte Qosays teilnahmen, per Kamera aus sicherer Entfernung zu überwachen. Nach eigenene Angaben, um Verstöße gegen die Corona-Regeln ahnden zu können.

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