Scheitert die Legalisierung an vorgezogenen Neuwahlen?

Die Umsetzung der ersten Säule der Cannabis-Entkriminalisierung bzw. Legalisierung verschiebt sich zwar ein paar Monate nach hinten – inhaltlich hat sich die Ampel aber angeblich endlich geeinigt. In der Cannabis-Community wird die Zahl der pessimistischen Stimmen trotzdem kaum weniger: nachdem zunächst ein Verhinderungsantrag der CSU entsprechende Befürchtungen schürte, sorgte und (sorgt) das Schreckgespenst Bundesrat für das große Zittern. Nun ist aber das Ampel-Projekt trotz aller Unkenrufe nach wie vor in der Spur (wenn auch etwas spät dran) – da wird in der Cannabis-Szene bereits das nächste Worst-Case-Szenario an die Wand gemalt: Zusammenbruch der Regierung und vorgezogene Neuwahlen. Abgesehen davon, dass viele Cannabis-Enthusiasten offenbar ein Problem mit ausgeprägter Schwarzmalerei (eine Begleiterscheinung der Prohibition? Oder doch eher ADHS-Symptom?) haben – wie wahrscheinlich sind Neuwahlen wirklich?

In der Geschichte der BRD ist es überhaupt erst drei Mal zu vorgezogenen Neuwahlen gekommen. 1972 zum ersten Mal überhaupt, unter SPD-Kanzler Willy Brandt, 1982 unter SPD-Kanzler Helmut Schmidt und 2005 unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Alle drei hatten die Vertrauensfrage gestellt und nach dem negativen Ergebnis den Bundespräsidenten um Auflösung des Bundestags gebeten. In allen drei Fällen waren die Neuwahlen vom amtierenden Kanzler so gewünscht. Ein politisches Kalkül also, das sich aber im Rückblick oft genug nicht ausgezahlt hat.

Neuwahlen können also nicht einfach von der Opposition (oder gar der Bevölkerung) initiiert werden, nur weil diese mit der Regierungsarbeit unzufrieden ist und gerne selbst an der Macht wäre. Da kann die Bild-Zeitung noch so sehr krakeelen – wenn es zu Neuwahlen kommt, dann in der Regel, weil die amtierende Regierung sich davon einen Machterhalt bzw. eine Stärkung der eigenen Position verspricht und nicht, weil sie von der Opposition „abgesägt“ wird. Aktuell kann man wohl nicht davon ausgehen, dass die Ampel-Parteien bei vorgezogenen Neuwahlen wiedergewählt werden würde – und das wissen auch SPD, Grüne und FDP. Insbesondere die FDP sollte nach ihren teils heftigen Landtagswahl-Schlappen in Serie vorsichtig agieren.

In Zeiten, in denen sich Politiker an ihre Mandate klammern und erst in unter allergrößtem Druck einen Rücktritt überhaupt in Erwägung ziehen, ist es schwer vorstellbar, dass eine ganze Regierung freiwillig den Platz räumt. Wenn man einmal zurückdenkt, an die späten 90er-Jahre, an die frühen 2000er – da wehte noch ein anderer Wind und fast schien es so, als so habe man das entsprechende Pöstchen gar nicht erst haben wollen, so verbreitet war der Rücktritt vom Amt. Gar Anlass zu Hohn und Spott gab der damalige politische Zeitgeist, sein Amt bei dem geringsten Gegenwind direkt wieder abzugeben. Unvorstellbar, wenn man an die zahlreichen handfesten Skandale denkt, die von Politikern jeder Couleur in den letzten beiden Jahrzehnten einfach mal stur ausgesessen wurden. Frei nach dem Motto: Hauptsache am Drücker bleiben – und nach mir die Sintflut.

Und selbst, wenn es, rein hypothehtisch, doch so wäre, dass die Opposition die Macht hätte, Neuwahlen herbeizuführen. Dann muss man sich immer noch die Frage stellen: hätten CDU/CSU überhaupt ein ernsthaftes Interesse, gerade jetzt am Ruder zu sitzen? Oder geht es eher nur darum, die Konkurrenz schlecht dastehen zu lassen, Unruhe zu verbreiten und die eigene Marke zu stärken? Klassische Oppostionsarbeit eben. Denn angesichts von (Post-) Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Nahost-Eskalation, Immobilien- und Energie-Krise denkt man sich bestimmt auch innerhalb des rechtskonservativen Lagers: es gab wahrlich schon angenehmere Legislaturperioden für Regierende.

1 Kommentar

  1. Ich bin ja kein religiöser Mensch. Aber wenn es einen Gott geben sollte, dann hoffe ich, dass er uns vor einer schwarz-blaun-roten Regierung bewahren wird.

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