Legalisierung: Deutscher Hanfverband und Andreas Müller ziehen vor das Verfassungsgericht

Richter Andreas Müller spricht vor der Presse / DHV

Es ist 2019, auf der Welt gibt es schon 130 Millionen Menschen, die endlich wieder ganz legal ihrem Cannabiskonsum frönen dürfen, ohne unsinnige und unsittliche Bestrafungen und Repressalien ihrer jeweiligen Regierungen befürchten zu müssen. Doch was ist mit den offiziell von der deutschen Bundesregierung zugegebenen vier Millionen (und vermutlich eher doppelt so vielen) Cannabiskonsumenten in Deutschland? Die können schön in die Röhre gucken, sich vor Gericht stellen und sich ihre Führerscheine wegnehmen lassen. Seit den frühen 1990ern denken die meisten Konsumenten wohl einerseits, das wird schon bald legalisiert – und andererseits, ach ist ja nicht so schlimm, wenn sie mich erwischen und erwischen tun sie mich eh nicht. Es wird also allenthalben auf die Legalisierung von oben gewartet.

Aber Pustekuchen. Es ist 2019, die alte Mortler wurde von der neuen Mortler abgelöst und der Ruf von Cannabis in der Öffentlichkeit ist zwar ein wenig besser geworden, aber der Umgang der Legislative, Exekutive, Judikative und der vierten Macht, der Presse in Deutschland gleicht einfach nur einem schlechten Witz. Auf Kosten aller. Selbst die Lügen-Heinis von CDU/CSU wissen inzwischen, dass sie reinen Dreck erzählen, wenn sie mit dem Einstiegsdrogen-Märchen kommen, selbst die Polizeisprecher wissen, dass sie nur Unsinn ablassen, wenn sie behaupten, nach einer Legalisierung würden die Kiffer alle Menschen auf der Straße totfahren, bis keiner mehr übrig ist, selbst die Richter wissen, dass die Menschen, die sie bestrafen, dadurch kein besseres Leben haben.

Oder nicht? Nun zumindest Letzteres wird jetzt auf die Probe gestellt. Denn der Deutsche Hanfverband (DHV) hat die „Justizkampagne 2019“ ins Leben gerufen, mit dem erklärten Ziel, das Cannabisverbot vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Seit dem letzten grundsätzlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Cannabis im Jahr 1994 ist ein Vierteljahrhundert vergangen und der DHV ruft deutsche Richter nun dazu auf, einen konkreten Normenkontrollantrag nach Art 100 Abs.1 GG zu stellen, damit das Bundesverfassungsgericht das Cannabisverbot auf seine Richtigkeit überprüft.

Um eine solche Entscheidung zu erreichen, hat der Hanfverband die Berliner Anwälte Henriette Scharnhorst und Johannes Honecker mit der Erstellung eines Musterkontrollantrags beauftragt. Mit dieser sogenannten „Richtervorlage“ können Richter das Bundesverfassungsgericht anrufen und so eine Neubeurteilung des Cannabisverbots auf Basis der nun vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse anstoßen.

Und die sind seit 1994 extrem angewachsen, Cannabis ist inzwischen ein großes Forschungsfeld geworden. Und es wird immer wieder nachgewiesen, was wir schon lange wissen: Cannabis ist nicht so gefährlich, dass es verboten sein sollte. Auch konnten in den letzten Jahren viele der ewigen Lügenmärchen der Berufsprohibitionisten zusätzlich durch offizielle Beobachtungen der Auswirkungen der in den letzten Jahren weltweit umgesetzten Cannabislegalisierungen, etwa in zahlreichen Bundesstaaten der USA, entkräftet werden. Gute Argumente oder gar wissenschaftliche Erkenntnisse, die für ein Cannabisverbot sprechen würden, haben nicht mal diejenigen parat, die (trotzdem) gegen ein Verbot sind. Was soll der ganze Quatsch also?

Dem will der Hanfverband nun abermals auf den Grund gehen und hat mit dem Legalisierungsbefürworter Jugendrichter Andreas Müller einen bekannten Mitstreiter gewinnen können. Doch auch andere Juristen sind aufgerufen, wie Georg Wurth vom DHV erklärt: „Wir wissen, dass es in Deutschland viele Richter, Strafrechtsprofessoren, Staats- und Rechtsanwälte gibt, die das Verbot ebenso wie wir als gescheitert beurteilen und an seiner Verfassungskonformität zweifeln. Das Bundesverfassungsgericht kann der Politik den Auftrag für eine neue Gesetzgebung erteilen und so den entscheidenden Impuls für die Legalisierung geben.“

Durch die parallel erfolgende Werbung für die Richtervorlage in diversen juristischen Fachpublikationen wird der Hanfverband Juristen auf die Verfassungswidrigkeit aufmerksam machen und sie zum Handeln auffordern. Doch nicht nur beruflich involvierte Juristen sind aufgerufen, auch Betroffene des Verbots können die Vorlage in ihren Strafverfahren verwenden, um sich durch die Instanzen zu klagen. Und sie können vor Gericht die ausführliche juristische und wissenschaftliche Begründung verlesen oder durch ihre Rechtsanwälte verlesen lassen und so begründen, weswegen in ihre verfassungsgarantierten Rechte eingegriffen wird. Außerdem können Sie die Mustervorlage benutzen, um Verfassungsbeschwerde gemäß Art.93 Abs.1 Nr 4a GG einzulegen.

Nachdem zum Monatsanfang die Justizoffensive der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war es dann am 18. September auch gleich so weit und Andreas Müller gab anlässlich mehrerer Prozesse bekannt, dass er sich an das Bundesverfassungsgericht wendet. Bereits im Vorfeld kündigte er diesen Schritt an. Innerhalb von nur zwei Stunden hatte er an besagtem Tag drei Prozesse gegen Jugendliche wegen Kleinstmengen Cannabis zu führen. In den Verfahren drängen sich laut Müller Zweifel daran auf, ob eine Strafverfolgung beim Besitz von Cannabis verfassungsgemäß ist.

Den Schritt das Bundesverfassungsgericht anzurufen, unternahm er bereits 2002 einmal (das einzige Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit 1994 zum Thema Cannabis). Damals entschieden die Karlsruher Richter jedoch, dass der Besitz von Cannabis auch in geringen Mengen verboten bleibt. Begründet wurde das mit „nicht unbeträchtlichen Gefahren und Risiken“ durch Cannabiskonsum. Nun, 17 Jahre später, weiß aber so langsam auch der letzte Blöde, dass sich erstens die Gefahren und Risiken in nicht unbeträchtlichem Ausmaß in den Köpfen von CDUCSU-Meinungsmachern und deren Kundschaft abspielen und nicht etwa in der Realität, und zweitens dass das Verbot absolut nichts an den Konsumraten ändert und somit komplett wirkungslos ist. Ja sogar schädlich – und teuer noch dazu.

All dies kann inzwischen auch mit seriösen Studien unterfüttert werden, während die Freunde der Verbotspolitik langsam nur noch mit hohlen Phrasen agieren können. Ausgangspunkt der vorliegenden Mustervorlage des Hanfverbands, des sogenannten Normkontrollantrags, ist die Annahme, dass die Strafbarkeit jedweden Umgangs mit Cannabis durch das Betäubungsmittelgesetz verfassungswidrig ist. Grundlage dafür sind die folgenden drei Verfassungsgrundsätze, die von vielen Juristen geteilt werden:

1. Geeignetheit: Das Cannabisverbot mit erheblicher Strafandrohung ist nicht geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, den Konsum von Cannabis so weit wie möglich auszuschließen oder wenigstens wesentlich zu reduzieren. Während jahrzehntelanger Repression mit Millionen Strafverfahren ist die Zahl der Cannabiskonsumenten immer weiter gestiegen. Noch nie hatten in Deutschland so viele Menschen Erfahrung mit Cannabiskonsum. In den Niederlanden liegt der Konsum trotz freier Verfügbarkeit für Erwachsene in den Coffeeshops im europäischen Mittelfeld. Daten aus US-Staaten, die Cannabis vollständig legalisiert haben, zeigen, dass zwar der Probierkonsum bei älteren Menschen etwas zunimmt, bei der Risikogruppe der Jugendlichen aber zurückgeht. Legalisierung steigert den Konsum nicht und das Verbot reduziert ihn nicht. Das Verbot ist demnach nicht geeignet, die Konsumverbreitung zu reduzieren, insbesondere nicht in jugendlichen Risikogruppen.

2. Erforderlichkeit: Selbst wenn das Verbot geeignet wäre, den Konsum zu reduzieren, müsste es auch erforderlich sein. Ein strafbewehrtes Verbot ist eine besonders restriktive Maßnahme des Staates. Ein solches Gesetz entspricht nur dann dem Grundgesetz, wenn es keine mildere Maßnahme gibt, um das Ziel zu erreichen, den Konsum von Cannabis zu reduzieren. Solche milderen Maßnahmen gibt es aber, nämlich Prävention und Risikominderung durch Aufklärung. Auch bei Alkohol setzt der Staat auf Prävention mit Kampagnen wie „Kenn dein Limit!“ Ein Verbot ist nicht erforderlich.

3. Verhältnismäßigkeit: Der Staat darf nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, die Härte einer repressiven Maßnahme muss im Verhältnis stehen zu dem, was „bekämpft“ werden soll. Das Strafrecht ist das härteste Mittel, das ein Rechtsstaat hat und das Betäubungsmittelgesetz sieht zum Teil sehr harte Strafen wie langjährige Gefängnisstrafen für Verstöße vor. Cannabiskonsumenten schaden höchstens sich selbst, sie schaden niemand anderem. Und Cannabis ist zwar nicht harmlos, im Vergleich zu Alkohol und vielen anderen Drogen aber keine außergewöhnlich große Gefahr für die Gesellschaft. Das Verbot ist nicht verhältnismäßig.

Sollte sich das Bundesverfassungsgericht aufgrund der mittlerweile verfügbaren neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Auffassung anschließen, kann es die Rechtsprechung hinsichtlich der Einordnung von Cannabis im Betäubungsmittelgesetz für verfassungswidrig erklären – und die gesetzgebenden Politik müsste das Verbot endlich beenden. Auch wenn natürlich jeder begierig auf solch ein Urteil wartet, ob es so weit kommt, ist das eine – und das andere, wann. Wir berichten natürlich wie es weitergeht, hier auf der Website und bei uns im Magazin!

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