Informationskrieg um Cannabis-Legalisierung geht in die heiße Phase

Mann hält Joint in die Kamera
Mann hält Joint in die Kamera

Mit Beginn der Ampel-Sondierung ist die Legalisierung von Cannabis mal wieder in aller Munde. Fast schon überraschend, wie viel Platz dem Thema in den Medien freigeräumt wird, seit SPD, Grüne und FDP die Köpfe zusammenstecken und sich berechtigterweise  gute Chancen auf eine gemeinsame Regierungsbeteiligung ausrechnen dürfen. Man hätte das Thema zugunsten einer der zahlreichen anderen Baustellen in der Bundespolitik auch relativ problemlos unter den Tisch fallen lassen können – tatsächlich ist momentan das Gegenteil der Fall.

Die Legalisierung ist präsent wie nie – fast meint man, sie in Form würziger Rauchschwaden bereits riechen zu können. Oder ist das doch nur der Redakteur am Nebentisch? Wie dem auch sei: Gegner einer Freigabe bekommen es nun offenbar mit der Angst zu tun und blasen zum Gegenangriff im laufenden (Des-)Informationskrieg. Daran wie schrill der ausfällt, merkt man, dass es in den kommenden Wochen in der Diskussion um Cannabis wohl ans Eingemachte gehen wird. Gerade machen zwei neu lancierte Anti-Cannabis-Artikel die Runde in den Nachrichtenredaktionen, die keinen Zweifel daran lassen sollen, dass Cannabis eben doch genau das Teufelskraut ist, zu dem es Konservative seit inzwischen 100 Jahren machen wollen.

Einer der beiden Texte berichtet über die Statements der Polizeigewerkschaften GdP und DPolG, die eine Legalisierung ablehnen. Mit altbekannten, mittlerweile hundertfach widerlegten Argumenten. Dass sich die dritte Polizei-Gewerkschaft, der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK), schon seit Jahren ganz klar pro Cannabisfreigabe positioniert hat, wird lieber nicht erwähnt. Beamte aus dem höheren Dienst, also diejenigen mit verbliebenem Resthirn, habenn also längst verstanden, dass das Verbot auf ganzer Linie gescheitert ist.

Der andere Artikel, den man in den nächsten Tagen wohl in zahlreichen Redaktionen wiederkäuen wird, geht dann erst so richtig in die Vollen, indem ein mehr als fragwürdiger Zusammenhang zwischen Psychose, Gewaltverbrechen und Cannabiskonsum behauptet wird. Das ist nicht wirklich weit entfernt von den unsäglichen Artikeln der 30er-Jahre, in denen von der Mörder- und Vergewaltigungsdroge Marihuana die Rede war – ja moin, haben wir wirklich schon 2021? Zählen die vielen wissenschaftlichen Erkenntnisse des letzten Jahrhunderts denn gar nichts?

Die Rückkehr der Mörderdroge

Psychiater und Mietmaul Rainer Thomasius, der traditionell überall da herumkreucht und -fleucht, wo Cannabis über alle Maßen dämonisiert werden soll, wird dem unbedarften Leser in diesem Zusammenhang einmal mehr als mahnender Experte verkauft. Der Text ist ansonsten, wie sollte es auch anders sein, ein geradezu unverschämtes Lehrstück in Sachen Rabulistik. Beispiele gefällig?

  • Der Kinder- und Jugendpsychiater Rainer Thomasius geht davon aus, dass die Fälle von paranoider Schizophrenie, bei denen die Betroffenen gewalttätig werden, selten sind. Aber: Für die Strafkammer in Hamburg sei es nun schon der dritte Fall innerhalb weniger Monate, bei dem ein Täter im Wahn zustach, um zu töten, so Koerner.“
  • „Eine Untersuchung aus Ulm habe ergeben, dass sich die Zahl der stationären Behandlungsfälle wegen psychotischer Störungen durch Cannabis-Konsum in der dortigen psychiatrischen Universitätsklinik zwischen 2011 und 2019 verachtfacht habe. «Das ist schon sehr beeindruckend», sagte Thomasius. Es sei aber auch die einzige Studie zu dem Thema, die er aus Deutschland kenne.“
  • „Polizeistatistiken aus Ländern, in denen der Cannabis-Konsum legal sei wie in einigen US-Staaten, deuteten auf eine Zunahme von Gewaltdelikten im Zusammenhang mit der Droge hin, so Thomasius. Es sei jedoch unklar, wie seriös diese Statistiken unter diesem Gesichtspunkt seien.

Ebenso dreist ist der im Cannabis-Zusammenhang mehr als fragwürdige Fokus auf mehrere Fälle psychoseinduzierter Gewalt in Hamburg, die sich 2021 schockierenderweise alle innerhalb weniger Monate ereignet hatten. Ob Cannabis im Leben der jeweiligen Täter bei den beschriebenen Verbrechen überhaupt eine Rolle gespielt hat, lässt der Artikel aber auf vielsagende Weise im Vagen. Ein sehr viel näher liegender Zusammenhang, nämlich die beispiellose, kräftezehrende Corona-Ausnahmesituation mit all ihren Kontaktverboten, Lockdowns, Ausgangssperren, Schock-Schlagzeilen und den entsprechenden Auswirkungen auf Labile oder psychisch Kranke wird vorsichtshalber gar nicht erst erwähnt.

Es bleibt zu hoffen, dass auch weniger gut informierte Menschen die unseriösen Werkzeuge, mit denen der Leser hier manipuliert werden soll, identifizieren werden und den Artikel als das abkanzeln, was er letztendlich ist: ein billiges Stück Desinformation. Helfen würde aber es natürlich auch, wenn auch weiterhin so viele vernünftige Cannabisartikel publiziert würden wie aktuell, um den Hetzern ein Stück weit den Wind aus den Segeln zu nehmen.

NEU – HIGHWAY AUF TELEGRAM: t.me/highway420de

2 Kommentare

  1. Die Polizei ist doch auch nur Befehlsempfänger der Politik und alle Macht geht vom Volke aus legalisiert es und Ruhe ist was interesiert mich das Geschwätz der Polizeigewerkschaft

  2. Alles Mitglieder oder Wähler der CDU/CSU die haben das Spiel verloren und sehen ihre Felle davon schwimmen. Die Parteien mit vernunft und Versand sind hoffendlich an der Macht.

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