Umfrage: wie viel (mehr) kiffen die Deutschen in der Pandemie?

Cannabis wird abgewogen, eine Hand hält eine Blüte hoch
Mehr als zehn Gramm?

Wie geht es wohl mit Corona weiter? Wir wissen es nicht so genau, so wie vermutlich auch sonst niemand. Festhalten können wir jedenfalls: zumindest der Sommer brachte und bringt diesbezüglich ein wenig Entspannung, Delta hin, Delta her. In einem sind sich vermutlich auch alle einig: es reicht so langsam mit Corona! Praktisch jedes Leben auf dieser Erde wurde durch das Virus beeinträchtigt und die meisten nicht auf positive Art und Weise. Ja, selbst das Kiffen war nicht mehr so wie vorher: durch die Pandemie haben sich für viele Cannabiskonsumierende die Rahmenbedingungen geändert, sowohl was Konsum als auch Beschaffung angeht. Um mehr darüber zu erfahren, wie sich die Lockdowns hierzulande auf diese Themen ausgewirkt haben, startete das Centre for Drug Research, das an der Goethe-Universität Frankfurt beheimatet ist, Anfang dieses Jahres eine Online-Befragung, deren erste Ergebnisse wir hiermit präsentieren.

Eine Umfrage von Bernd Werse und Gerrit Kamphausen 

Nachdem das Centre for Drug Research (CDR) an der Goethe-Universität Frankfurt im April und Mai 2020 eine erste Befragung zu Cannabiskonsum in der Corona-Pandemie durchgeführt hatte, beschlossen wir Anfang 2021, „zum zweiten Lockdown“, eine weitere Online-Befragung zu starten. Wiederum ging es darum, inwiefern die Beschränkungen einen Einfluss auf Versorgung und Konsum von Cannabis Konsumierenden haben. Zielgruppe waren wiederum jene, die zumindest gelegentlich illegal beschaffte THC-haltige Cannabisprodukte konsumieren.1 Der Fragenkatalog wurde erweitert, u. a. um bessere Aussagen über Motive, Beschaffungswege und regionale Besonderheiten machen zu können. Die Erhebung war vom 28. Januar bis zum 21. März 2021 online. Sie wurde in erster Linie über Social Media (Twitter, Facebook) verbreitet; mit Abstand die meisten Teilnehmenden wurden dank der Erwähnung in den „DHV-News“ auf dem YouTube-Kanal des Deutschen Hanfverbands rekrutiert. Insgesamt 3.460 Personen und damit mehr als dreimal so viele wie bei der ersten Erhebung 2020 füllten den Fragebogen aus; nach Bereinigung wegen offensichtlich unsinniger Angaben blieben 3.455 Fragebögen übrig. Die folgenden Auswertungen stellen nun einen ersten Überblick dar; zu einem späteren Zeitpunkt werden weitere Auswertungen inklusive weiterer erhobener Daten durch das CDR veröffentlicht.

Basisdaten 

Erwartungsgemäß nahmen eher junge Menschen an der Erhebung teil; die Hälfte war zum Zeitpunkt der Befragung maximal 25 Jahre alt, wie am Median abzulesen ist. Das Durchschnittsalter liegt mit 27,8 Jahren etwas höher, da sich das Alter der älteren Befragten über eine Spanne bis zu 75 Jahren erstreckt. Wiederum sind Männer mit 91 % deutlich überrepräsentiert. 16 % haben Kinder im Haushalt.


Die Wohnorte verteilen sich relativ gleichmäßig über Metropolen (ab 500.000 Einwohner*innen) bzw. Ballungsräume, kleinere Großstädte (ab 100.000 Ew.), Mittelstädte (ab 20.000 Ew.) und Dörfer und Kleinstädte, wobei bemerkenswert ist, dass Teilnehmende aus diesen Orten in ländlichen Regionen mit 35 % den größten Anteil ausmachen. Was die Verteilung der Befragten auf die deutschen Bundesländer betrifft, so zeigt sich eine leichte Überrepräsentation von Baden-Württemberg (16 %; der Anteil der Bevölkerung an der deutschen Gesamtbevölkerung beträgt 13 %) und Bayern (18 % vs. 16 %). Sämtliche östlichen Bundesländer außer Berlin sind hingegen leicht unterrepräsentiert. 2 % der Befragten nahmen aus dem Ausland teil (v. a. aus Österreich, daneben aus der Schweiz sowie diversen weiteren, v. a. europäischen Ländern).


Cannabiskonsum 

Tabelle 2 zeigt die generelle Konsumhäufigkeit vor der Pandemie sowie zum Zeitpunkt der Erhebung. Generell wurden wie bereits bei der ersten Befragung schwerpunktmäßig Personen mit regelmäßigen bis intensiven Konsummustern erreicht; Gelegenheitskonsumierende sind eher wenig vertreten. Vergleicht man dies mit Repräsentativbefragungen zum Thema, sind Gelegenheitskonsument*innen stark unterrepräsentiert, täglich Konsumierende hingegen besonders stark vertreten. Entsprechend der Antworten hat es v. a. eine Verschiebung von weniger häufigen Konsummustern hin zu täglichem Gebrauch gegeben; dieser hat sich von 38 % auf 47 % erhöht. In geringem Maße hat es aber auch eine Verschiebung zu seltenem (weniger als monatlichem) Konsum gegeben (siehe Tab. 2).


Diese Resultate deuten also bereits auf einen tendenziell höheren Konsum hin. Darüber hinaus wurde nach der subjektiven Einschätzung gefragt, in welchen Phasen der Pandemie sich der eigene Konsum in welche Richtung entwickelte (Tabelle 3). Sowohl für den „ersten Lockdown“ Anfang 2020 als auch die Phase danach gab jeweils eine Mehrheit an, dass sich ihr Konsum nicht geändert habe; gleichzeitig wurde jeweils mehr als doppelt so oft angegeben, dass der Konsum gesteigert wurde, als dass sich der Konsum verringerte.


Im sogenannten zweiten Lockdown schließlich gaben mit 39 % deutlich mehr an, den Konsum gesteigert zu haben, wobei sich auch der Anteil derer, die ihren Konsum verringerten, mit 24 % steigerte. Zu beachten ist hier, dass Personen, die ihren Konsum zeitweise steigerten, diesen zum Teil auch wieder verringerten. Der Anteil derer, die ihren Konsum in keiner der drei Phasen änderten, liegt bei 23 %. Diejenigen, die für mindestens eine der drei Phasen einen gesteigerten Konsum angaben, wurden nach ihren Gründen für die Konsumsteigerung gefragt (Abbildung 1). Dabei spielte das positiv konnotierte Motiv, dass freie Zeit mit Cannabis auf angenehme Weise verbracht werden könne, die größte Rolle, gefolgt von den kompensatorischen Motiven „Stress abbauen“ und „Langeweile“. „Neue Gewohnheit“ sowie die Bekämpfung von Ängsten war für jeweils rund ein Fünftel relevant.


Unter den sonstigen Motiven findet sich – abgesehen von relativ häufigen Nennungen medizinischer bzw. therapeutischer Gründe – eine Vielzahl unterschiedlicher Angaben; als Beispiele seien im Folgenden einige genannt: „Bewegungsmangel kompensieren“ – „Die Zeit in der Pandemie rast gefühlt an einem vorbei. Ab und zu zu konsumieren hilft persönlich die Uhr langsamer laufen zu lassen“ – „Um den psychischen Druck des Verlustes des Soziallebens ertragen zu können“ – „Einsamkeit“ – „Gibt wenig andere Möglichkeiten, sozial was zu unternehmen, Kinos und Clubs sind zu. Gemeinsames Kiffen ist ein Ersatz“ – „Abends hat man früher nichts mehr zu tun, man geht nicht raus, muss nicht von der Arbeit nach Hause fahren“– „Um wieder Appetit zu bekommen nach den täglichen Todeszahlen“ – „Alltagsaufgaben stoned erleben“.


Es zeigt sich also eine große Spanne sehr unterschiedlich konnotierter Motive für den Mehrkonsum. Bei der Frage danach, wie die Befragten mit mindestens einer Konsumsteigerung während der Pandemie diese bewerten, gibt es eine leichte Tendenz zur negativen Einschätzung: 9 % bewerten die Steigerung als positiv, 14 % eher positiv, 49 % neutral/halb-halb, 23 % eher negativ und 5 % negativ. Was mögliche Gründe für gesteigerten Konsum betrifft, lohnt es sich, diverse andere erhobene Variablen mit der Konsumsteigerung (in diesem Fall zur Vereinfachung nur die Änderungen in der aktuellen Phase des „zweiten Lockdowns“) zu vergleichen: Diejenigen, die weniger als sonst arbeiteten und diejenigen, die in der Krise gar nicht arbeiteten, gaben signifikant häufiger an, mehr Cannabis zu konsumieren (49 % bzw. 46 %). Keine merklichen Unterschiede gibt es hinsichtlich des Arbeitsortes (Homeoffice oder Arbeitsplatz). Frauen in der Stichprobe haben ihren Konsum häufiger gesteigert als Männer (44 % vs. 38 %).

Versorgung mit Cannabisprodukten 

Bei der Frage, wie sich die Versorgungslage seit Einführung der Einschränkungen wegen Covid-19 entwickelt hat, gab genau die Hälfte (50 %) an, dass es keine Veränderungen gab. 40 % meinten, die Verfügbarkeit sei schlechter geworden und 5 %, die Verfügbarkeit sei besser geworden (weiß nicht: 5 %). Im Vergleich zur ersten Befragung hat sich damit eine leichte Verschiebung von „schlechter“ zu „besser“ ergeben. Ebenfalls in der ersten Befragung wurde vermutet, dass ländliche Gebiete stärkere Versorgungsprobleme haben könnten als Städte. Dies bestätigt sich nicht: es sind keine entsprechenden Unterschiede hinsichtlich Ortsgrößen/Urbanisierung festzustellen. Im Hinblick auf die Bundesländer sind die Unterschiede nicht sehr stark ausgeprägt: in Berlin (30 %) und Hessen (31 %) stellten die wenigsten Befragten eine schlechtere Verfügbarkeit fest, in den kleinen Teilstichproben von Sachsen-Anhalt (49 %) und Thüringen (48 %) war dieser Wert am höchsten. Diejenigen, die eine schlechtere Verfügbarkeit nannten, wurden auch nach möglichen Maßnahmen zur Kompensation gefragt.

Während 24 % keine solchen Maßnahmen nannten, gaben 45 % an, bei entsprechender Gelegenheit mehr auf einmal zu kaufen bzw. zu hamstern. 40 % haben sich mindestens eine neue Quelle gesucht, 12 % (mehr) Cannabis selbst angebaut und lediglich 6 % verstärkt auf Onlinehandel zurückgegriffen. Ohnehin spielt Onlinehandel nach wie vor nur eine geringe Rolle: auf die Frage hin, welches generell die häufigste Quelle für die Cannabisversorgung ist, wurden am häufigsten Privatdealer*innen (42 %) genannt, gefolgt von Freund*innen/Bekannten (38 %). Eigenanbau ist für 10 % die Quelle der Wahl, für jeweils 3 % der Onlinehandel oder Dealer*innen in der Öffentlichkeit (Straße/Park) und 2 % kaufen vorzugsweise im Ausland, z. B. den Niederlanden (keine Antwort: 2 %). Diejenigen, die Kauf im Ausland angaben, stellten am häufigsten eine geringere Verfügbarkeit in der Pandemie fest (56 %), die Eigenanbauer*innen mit 19 % am wenigsten.


Zu beachten ist, dass dies eine Studie über weit überwiegend regelmäßig bis häufig Cannabis Konsumierende ist – für Gelegenheitskonsument*innen (welche die Mehrheit der generell Konsumierenden stellen) sind z. B. Fragen nach gesicherter Versorgung vermutlich weniger relevant. Bemerkenswert ist die relativ gleichmäßige Verteilung der Stichprobe über Bundesländer wie auch bezüglich Stadt und Land. In dieser Hinsicht zeigen sich auch keine auffälligen Unterschiede bezüglich Cannabiskonsum und -versorgung. Wie bereits im „ersten Lockdown“ zeigt sich ein tendenziell erhöhter Cannabiskonsum in der Krise. Die Gründe hierfür sind zwiespältig: einerseits begrüßte ein Teil der Befragten die Gelegenheit, sich bei mehr Freizeit häufiger berauschen zu können, andererseits wurden nicht selten kompensatorische Motive im Angesicht der Krise genannt, insbesondere zur Stressbewältigung. Dies wird nicht selten neutral oder sogar positiv bewertet, mehr als ein Viertel sehen ihre Konsumsteigerung aber kritisch.

Fazit

Während eine knappe Mehrheit kaum bis gar nicht von Einschränkungen der Cannabisversorgung betroffen ist, ist die Situation bei einem erheblichen Teil der Konsument*innen schlechter geworden, was aber mehrheitlich durch neue Quellen oder Hamsterkäufe kompensiert wird. Regionale Unterschiede – die bei der ersten Erhebung zum Thema noch vermutet wurden – zeigten sich nur in geringem Maße. Die Corona-Krise hat bei Cannabiskonsument*innen also durchaus ihre Auswirkungen, wobei diese je nach individueller Lage sehr unterschiedlich ausfallen können. U. a. mehr Freizeit, Langeweile und Stress haben offenbar zu einem tendenziell erhöhten Konsum geführt.

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