Er sät Hanf in Innenstädten – „Der Gärtner von Grafing“ im Interview

Gaertner von Grafing
Hanfpflanzen vom "Gärtner"

Grafing, ein beschauliches 12.000-Seelen-Städtchen in der Nähe von München. Hier verläuft das Leben eigentlich in ruhigen Bahnen – bis 2020: plötzlich sprießen immer wieder wild gesäte Cannabispflanzen inmitten des Stadtgebiets und ein CSU-Landtagsabgeordneter macht auf einer Parteiveranstaltung unbewusst Werbung für einen geheimnisvollen Cannabis-Instagram-Account namens „Der Gärtner von Grafing“. Wer steckt hinter den Aktionen und was ist sein Ziel? Highway hat den cannabisaffinen „Gärtner“ zum Gespräch getroffen.

Der Öffentlichkeit wurdest du erstmals bekannt, als CSU-Mitglieder auf einer politischen Veranstaltung versehentlich mit Schildern posierten, auf denen auch einer deiner Sticker angebracht war. Auch wir von Highway haben damals darüber berichtet und uns köstlich amüsiert. Erzähl doch mal, wie war das für dich, aus sicherer „Entfernung“ zu beobachten, wie dein Plan tatsächlich aufgeht, wie die CSU in Erklärungsnot gerät, wie sich die Presse auf den Fall stürzt? Du musst dabei doch eine diebische Freude empfunden haben oder etwa nicht?

Ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass ihnen das nicht auffällt. Ich meine, ich gucke mir doch vorher an, was ich in die Kamera halte oder? Als ich am selben Abend dann den Instagram-Post der Landkreis-Union gesehen habe, hatte ich Tränen vor Lachen in den Augen. Da habe ich nicht lange überlegt und das ganze gerepostet und mit dem Kommentar „Das freut den Gärtner, dass die Union Werbung macht“ versehen. Scheinbar sind sie mir immer noch böse deswegen, da ich seitdem von ihnen auf Instagram blockiert wurde; oder sie sind verärgert, dass ich die Presse dadurch auf den Sticker hingewiesen habe, denn in dem ersten Artikel über die Kandidatenkür ist der Presse der nämlich noch gar nicht aufgefallen.

Lässt die CSU ihre (Wahl-)Plakate in der Stadt jetzt eigentlich beschatten, um dir vielleicht auf die Schliche zu kommen? Auf welche Vorsichtsmaßnahmen achtest du, wenn du in deiner Rolle als „Gärtner“ unterwegs bist?

Na ja, ich würde ganz einfach sagen, den anderen immer einen Schritt voraus zu sein. Meinen Quellen zufolge gab es in der Tat Überlegungen dieser Art bzw. es wurde überlegt, bei Instagram einen Aufruf zur Ermittlung des Gärtners zu starten, wogegen sich aber dann die Mehrheit ausgesprochen hat.

Seit wann führst du eigentlich schon dieses Doppelleben als mysteriöser „Gärtner von Grafing“? Welches Ereignis hat den Ausschlag für dein ungewöhnliches Engagement gegeben und was möchtest du damit erreichen?

Wirklich aktiv bin ich seit Frühjahr 2019. Braucht es denn immer irgendein Ereignis, um selbst aktiv zu werden? Wenn jeder auf irgendein Ereignis wartet, wartet man ewig, dann ändert sich nie was. Da ich mich schon immer für Schwächere eingesetzt habe, dachte ich mir, wieso setzt du dich nicht für den schwachen und wehrlosen Hanf ein, der in meinen Augen grundlos diskriminiert und schlechtgeredet wird. Mein Ziel ist es einfach, den Leuten die Augen zu öffnen und dass sie sich vielleicht auch einmal mit der Thematik befassen und nicht nur das populistische Gelaber von Marlene Mortler oder Daniela Ludwig wiedergeben, den beiden Kompetenzbomben, die in der freien Wirtschaft wohl arbeitslos wären. Mitunter wäre es noch ein Ziel, so viele Leute wie möglich zum Mitmachen zu animieren, um in naher Zeit möglichst ganz Deutschland mit schönen, früher bei uns auch mal heimischen Hanfpflanzen zu überziehen. Außerdem kann so ein Zeichen gesetzt werden, dass Natur sich nicht verbieten lässt. Letztendlich sollte so viel Druck durch Überlastung der Behörden entstehen, dass Cannabis zwangsläufig legalisiert wird und das Ganze eben in dem Sinne des Eigenanbaus gestattet wird – um es mit Martin Luther Kings Worten zu sagen: „ I have a dream.“ Und gemeinsam könnten wir diesen Traum auch Realität werden lassen.

Wissen eigentlich die Menschen aus deinem näheren Freundes- und Familienkreis über deine Aktivitäten Bescheid? Grafing hat nur etwa 12.000 Einwohner: hast du nicht Angst, enttarnt zu werden?

Bescheid wissen leider viel zu viele, so ist meine Identität sogar im Bayerischen Landtag und im Bundestag bekannt. Glücklicherweise ist eigenständiges Denken aber noch nicht verboten und so wird die Aktivität von den meisten mit Humor aufgefasst.

Unter den Pflanzen, die du guerillamäßig im Grafinger Stadtgebiet ausgesät hast, sind da eigentlich auch THC-haltige Sorten dabei oder handelt es sich ausschließlich um Nutzhanf?

Ausschließlich um Nutzhanf bzw. Bio-Hanfsamen aus dem Biomarkt, unbestrahlt, sodass sie keimfähig sind, genau wie solche Samen, die manche statt Chiasamen oder ähnlichem verzehren. Vielleicht bin ich ja gar nicht der Gärtner, sondern nur ein Verrückter, der sein Müsli in der Stadt verteilt.

Vor Kurzem haben israelische Aktivisten per Drohne gefüllte Cannabis-Baggys über Tel Aviv abgeworfen. Was hältst du von dieser Aktion? Könntest du dir so etwas in einem zweiten Schritt auch vorstellen oder ginge dir das zu weit?

Ich fand die Aktion klasse, glaube aber dass das bei uns nie geschehen wird, weil in unserer materiellen, ich-fixierten Welt der Geiz und die Bequemlichkeit, lieber nichts zu machen, überwiegt und den meisten die Bereitschaft abgeht, sich irgendwo einzubringen, zu engagieren oder etwas zu unterstützen, und sich jeder drauf verlässt, „das wird schon wer machen“. Aber genau das ist der Punkt: alleine sind wir schwach, aber gemeinsam sind wir stark. Von mir selbst wird es so eine Aktion aber auch nicht geben, denn ich versuche mich im rechtlichen Bereich zu bewegen und würde diesen damit definitiv verlassen.

Woran glaubst du, liegt es, dass sich Deutschland mit der Legalisierung so schwer tut? Natürlich gibt es immer Länder, die noch rigider sind, wie etwa Frankreich, aber auch viele Europäer, die deutlich weniger Berührungsängste haben, von Nordamerika mal ganz zu schweigen. Sollte das wirklich vor allem an der deutschen Alkohol-Kultur liegen?

Vielleicht liegt es an der Kompetenz der zuständigen Parlamentarier, bei denen eigenständiges Denken scheinbar nicht vorhanden ist, und an der Bequemlichkeit der Community, sich immer alles gefallen zu lassen.

Wann wird Cannabis in Deutschland deiner Ansicht nach komplett legalisiert?

Wenn wir nicht aufstehen, wird sich auch die nächsten 20 Jahre nichts ändern.

Was würdest du unserer Drogenbeauftragten Daniela Ludwig gerne mal sagen, wenn du die Chance hättest?

Ich glaube, es würde mich sehr viel Selbstbeherrschung kosten, sachlich zu bleiben. Aber ich würde ihr nahelegen, ihr Mandat aufzugeben, ihr aufzeigen, dass sie dermaßen falsch am Platz ist und vielleicht nochmal die Hauptschule aufzusuchen sollte. Vielleicht bringen die ihr da bei, was Buchstaben und Zahlen bedeuten, sodass sie in der Lage ist, in Zukunft irgendwann einmal Berichte und Statistiken zu lesen, anstatt ihre private Meinung, die noch realitätsfremder als mancher Bild-Zeitungsartikel ist, zu verbreiten.

Welche sind für die dich persönlich die wichtigsten Argumente pro Legalisierung?

Ein einzelnes wichtigstes Argument habe ich eigentlich gar nicht, wenn man jedoch die Zusammenhänge versteht, sind alle Argumente entscheidend. Auf der einen Seite würde der Schwarzmarkt geschwächt und für Konsumenten würde dort kein Kontakt zu härteren Drogen entstehen. Auch würde durch eine Legalisierung für die Deutschen eine ganz neue Wirtschaftsbranche als Einnahmequelle geschaffen. Zugleich wäre es eine große Entlastung für die Justiz, denn immerhin wird alle drei Minuten ein Strafverfahren wegen Cannabis eingeleitet. Durch die Steuermehreinnahmen könnte zudem gleichzeitig ein großer Teil in die Präventionsarbeit fließen, um eben den Jugendschutz zu stärken. Letztendlich sind dies alles viele ineinandergreifende Argumente, die für eine Legalisierung sprechen. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Toleranz für Leute, die Cannabis konsumieren, durch eine Legalisierung steigen würde.

Vor Kurzem wurdest du von der „Süddeutschen“ interviewt und unter anderem gefragt, ob du jeden Morgen „Haschisch aus der Wasserpfeife frühstückst“. Wie sehr ärgern dich solche Fragen?

Na ja, irgendwann hat man aufgehört, sich über die Stigmatisierung zu ärgern. Muss einer, der sich für Hanf einsetzt, gleich ein Kiffer sein? Ist einer, der sich für Flüchtlinge einsetzt, selbst ein Flüchtling?

Was sind die Zukunftspläne des „Gärtners von Grafing“? Sind besondere Aktionen in Aussicht, auf die man sich als Cannabisfreund schon mal freuen darf?

Wie schon erwähnt, Hauptziel ist es, ganz Deutschland mit Hanfpflanzen zu übersähen. Dazu würde ich mir wünschen, möglichst viele begeistern zu können, mitzumachen und sich zu engagieren. Nur gemeinsam können wir was erreichen. Was sonst noch so alles geplant ist, kann ich schlecht verraten – nicht, dass noch irgendwer dem Ganzen zuvorkommt…

Kommen wir zu unserer traditionellen Abschlussfrage. Hast du eine Lieblings-Cannabissorte?

Als braver und gesetzestreuer Bürger würde ich natürlich nie in Deutschland Cannabis zu Freizeitzwecken rauchen. In Ländern, wo das Gesetz dies jedoch zulässt, gebe ich zu, konsumiere ich äußerst gerne. So einen wirklichen Favorit in Sachen Strain habe ich da nicht. Ich finde es aber auch schwer, mich da festzulegen, weil ein Naturprodukt selten dem anderen gleicht. Keine Blüte ist gleich, auch bei zwei verschiedenen Blüten vom selben Strain merkt man die Unterschiede.

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