Die Entkriminalisierung von Cannabis kommt – aber niemand freut sich drüber

Cannabis, Joint und Grinder

Der Cannabis-Eigenanbau in kleinem Rahmen wird (sehr wahrscheinlich) endlich entkriminalisiert, der Besitz gewisser Mengen (etwa um die 30 Gramm) ebenso, Cannabis Social Clubs werden wohl ebenfalls möglich – und was macht die deutsche Cannabis-Community, insbesondere der sich selbst als „Weedmob“ bezeichnende harte Kern? Hört einfach nicht auf, zu stänkern. Wie konnte das passieren?

Wenn man dem Autor dieser Zeilen vor zehn Jahren gesagt hätte, dass es in Deutschland eine Entkriminalisierung von Cannabis geben werde, sich aber kaum jemand darüber freuen werde, dann hätte er dem Überbringer dieser Prognose wohl nur ungläubig den Vogel gezeigt. 

Nun schreiben wir April 2023 und tatsächlich befinden wir uns gerade an dem beschriebenen Punkt oder zumindest einem Ähnlichen. Ist der Hass auf die politische Klasse etwa schon weit fortgeschritten, dass man nicht einmal mehr wertschätzend anerkennen kann, wenn – lange Überfälliges, das ist klar – endlich umgesetzt wird?

Zugegeben, die Geschichte der deutschen Legalisierung seit ihrer Ankündigung vor der letzten Bundestagswahl steckt voller großer Erwartungen und kleiner Missverständnisse. Die Ampel hat den Mund viel zu voll genommen und sich Hals über Kopf in Versprechungen gestürzt – ob man damals schon wußte, dass man diese nicht würde halten können oder im Gegenteil in bestem Wissen und Gewissen handelte, wäre eine interessante Frage für die Aufarbeitung. Ob es letztendlich Berechnung war oder Unbedarftheit, die das politische Handeln bestimmte – beide Szenarien wären sicher wenig schmeichelhaft für die „Legalisierungsparteien“ SPD, Grüne und FDP. Es ist also beileibe nicht der Fall, dass Kritik an der Regierung nicht auch durchaus angebracht ist.

Und doch ändert es nichts am Ergebnis, das Karl Lauterbach aller Voraussicht nach im Laufe des April der Öffentlichkeit präsentieren wird – und das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die Entkriminalisierung bringen wird, wie bereits relativ klar durchgestochen worden zu sein scheint (siehe etwa Handelsblatt, Die Zeit oder Ärztezeitung). Dass in diesem Zuge auch der Empfehlung des Verkehrsgerichtstags (VGT) Rechnung getragen werden dürfte, ist ebenfalls wahrscheinlich und wäre nur folgerichtig. Trotzdem wird in der Cannabis-Community gemeckert, was das Zeug hält.

Insbesondere die geplanten Modellprojekte ziehen den Zorn von Cannabisfreunden in ganz Deutschland auf sich. Das passt, schließlich dürften bei der Umsetzung zwangsläufig viele Regionen zu kurz kommen. Passend aber auch insofern, als dass sich fast alle Presseartikel in ihren Negativ-Headlines geradezu auf die Modellprojekte einschießen, wobei das eigentlich Bahnbrechende, nämlich die Entkriminalisierung, die ja deutschlandweit sehr viel größere Auswirkungen haben wird, wie nebenbei nur kurz im Vorbeigehen erwähnt wird (nur ein Beispiel von vielen: „Cannabis-Legalisierung vorerst ade: Erstmal kommen nur Modellregionen“).

Traurig ist, dass selbst Branchenmagazine wie das Hanfjournal dies irgendwie nicht mitbekommen zu haben scheinen und unter Berufung auf die oben genannten Quellen einfach mal berichten, dass die Entkriminalisierung nur in den Modellregionen zugelassen werden wird. Das ist nicht Stand der Dinge und ergäbe auch nur begrenzt Sinn: denn die Modellprojekte sollen ja eben gerade dazu dienen, die EU-Kommission zu beschwichtigen – eine Entkriminalisierung kann die Bundesrepublik jedoch jederzeit eigenständig umsetzen. Die Gefahr, dass am Ende doch alles ganz anders kommt, ist theoretisch natürlich gegeben – nur legen die aktuellen Berichte der großen Medien dies einfach nicht nahe.

Klar, Modellprojekte sind eigentlich unnötig und hätten auch schon viel früher umgesetzt werden können. Aber im Grunde muss jeder Cannabisfreund einmal in sich gehen und seine wahren Bedürfnisse überprüfen: was hat Priorität? Unbeschwert einige Pflanzen aufziehen, ohne Angst mit „Weed auf Tasche“ rumlaufen, Cannabis Social Clubs gründen oder besuchen – oder in aalglatten Fachgeschäften im Besitz gesichtsloser nordamerikanischer Großkonzerne zu überteuerten Preisen das neueste Cali käuflich erwerben zu können? Ja, das mag vielleicht polemisch ausgedrückt sein, denn: auch der Autor dieser Zeilen würde sich in Wahrheit durchaus am vermeintlichen „Top Shelf“ erfreuen – aber noch tausendmal mehr an einer vernünftig umgesetzten Entkriminalisierung.

9 Kommentare

  1. sehr guter Artikel, 100 Prozent Wahrheit. legal – entkriminialisiert – scheissegal. will damit keine Kohle machen sondern ohne sorge konsumieren/hersrtellen.

  2. Bei allem Respekt, aber eure Redaktion hat sich an dem Blödsinn,,Entkriminalisierung zum 1. Mai 2023″ beteiligt. Euch glaube ich gar nichts mehr.

  3. Lass uns doch mal abwarten, was passiert . Wir reden hier nur von wenigen Wochen…..
    Denn eines ist sicher: wir waren einer Legalisierung/Entkriminalisierung noch nie so nah.

    Wir haben hier einen Artikel mit Nachrichten und einem kleinen Meinungsbeitrag. Was hat das mit Glauben zu tun ?

  4. Vorweg: ich bin dankbar und glücklich wenn die Entkriminalisierung endlich kommt, vor allem mit CSC und Eigenanbau.

    Aber: ich verstehe die Wut, die viele Hanffreunde gerade haben. Nicht weil das jetzt geplante schlecht ist, sondern weil diese Entkriminalisierung schon an Tag 1 hätte umgesetzt werden können. Aber die Ampelpolitiker haben uns immer wieder erzählt dass eine Entkriminalisierung schlecht ist und nicht die Probleme löst. Jetzt, 1,5 Jahre später wo sie merken dass sie die Legalisierung nicht hinbekommen erzählen sie uns das Gegenteil, nämlich wie gut die Entkriminalisierung ist. Das macht uns natürlich wütend. Über 200.000 Menschen haben Strafanzeigen bekommen und vielleicht ihren Job, ihre Existenz oder Führerschein verloren. Das war völlig unnötig. Wenn sie direkt die Entkriminalisierung umgesetzt hätten und jetzt gesagt hätten dass die Legalisierung nicht klappt und deshalb erstmal Modellregionen kommen wären glaube ich alle entspannt.

  5. Die Legalisierung von Marihuana kann dazu beitragen, die Kriminalisierung von Menschen zu reduzieren, die es für medizinische oder Freizeitzwecke nutzen. Die Entkriminalisierung kann dazu beitragen, Menschen, die Marihuana konsumieren, vor dem Risiko einer Strafverfolgung und Gefängniszeit zu schützen.

  6. Der Konsum von Marihuana kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen und somit die Verkehrssicherheit gefährden.Deshalb sollte es wie Alkohol Punkte geben.

    • Gleichbehandlung von Alkohol und Cannabis? Wirklich? Dann her damit! Legalisieren und gut is! Was aber leider nicht geschehen wird. Da ist die Säuferlobby leider noch zu mächtig!

  7. Da muss ich Sie korrigieren, die Menschen regen sich nicht auf dass möglicherweise eine Entkriminalisierung bevorsteht, sondern dass die EU Verträge seit Jahren bekannt sind. Seit Jahren erzählen uns die Grünen mitsamt der Ampel die Legalisierung steht sobald diese gewählt wird. Nun ist es so weit und die Legalisierung entpuppt sich als eine weitere Lüge um mehr Wähler an sich zu reißen… Mir kann niemand erzählen dass die besagten Parteien vor dieser Wahlperiode nichts von den Verträgen wussten. Und jetzt wo mehr oder weniger das gesamte Projekt Legalisierung begraben oder zumindest auf unbefristete Zeit ins Koma versetzt wurde wird von Entkriminalisierung gesprochen wobei keiner von uns weiß wie lange das auf sich warten lässt oder ob es am Ende doch heißt: Am Schwarzmarkt verdient der Staat nix also warum entkriminalisieren.

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